Familienbindung und ReisenReisen und die liebe Verwandtschaft: Wie sagen wir’s den Großeltern?
Reisen in der Elternzeit? Gern! Sechs Monate Auszeit mit den Kindern? Klar! Immer mehr Eltern wagen Reisen, die länger sind als die üblichen zwei Wochen. Die Großeltern sind davon meist wenig begeistert – im Experten-Interview erfahrt ihr, wie ihr sie beruhigt.
von KidsAway-Redaktion
Wenn die Enkel auf Weltreise gehen ...
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Wie das geht, erklärt uns eine ausgewiesene Expertin: Fabienne Stoll-Becker ist Professorin für frühkindliche Bildung in München und Expertin dafür, wie Familienbeziehungen gelingen können – auch auf Reisen.
KidsAway: Frau Stoll-Becker, was ist an dem oft gehörten Vorwurf dran, man würde mit einer langen Reise die Familie „zerreißen“?
Prof. Stoll-Becker: Zunächst einmal ist die Intensität der Bindung zwischen Verwandten und damit der wahrgenommene Verlust bei einer längeren Trennung sehr unterschiedlich. Im ländlichen Raum herrscht in Deutschland etwa meist eine engere Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln, die sich auch oft um die Betreuung der Kleineren kümmern.
In den Städten übernehmen Kitas und Babysitter diese Funktion; die Großeltern und andere Verwandte wohnen oft mehrere hundert Kilometer entfernt von den Eltern, so dass sie ihre Enkel sowieso nur sehr selten sehen. In diesen Fällen wird die Trennung wegen einer Reise also wahrscheinlich weniger heftig erlebt.
Kann das Verhältnis der Enkel zu den Großeltern denn durch eine längere Reise tatsächlich zerstört werden?
Als Familie verreisen, ohne die Großeltern zurückzulassen
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Bei ganz kleinen Kindern unter einem Jahr kann es schwierig werden: Sie leben noch sehr stark von direkten, täglichen Erfahrungen. Während einer längeren Trennung können sie die Großeltern als Bezugspersonen tatsächlich vergessen.
Das bedeutet aber nur, dass sie nach der Rückkehr einfach etwas länger brauchen, bis die Beziehung wieder stabil etabliert ist. Familien, die an entgegengesetzten Enden des Landes wohnen, müssen sich dieser Herausforderung genauso stellen!
Was aber, wenn die Reise länger als ein halbes Jahr dauern soll?
Dann müssen sich die Eltern eben etwas mehr Mühe geben: etwa indem sie mit den Kindern während der Reise öfters über Oma und Opa reden, Bilder für sie malen (und nach Hause schicken) oder schöne Steine für sie sammeln. Wenn dann noch auf der Reise postlagernde Briefe und Päckchen von Oma und Opa ankommen oder per Internet Gespräche über Skype geführt werden, bleibt die Beziehung bestimmt lebendig.
Lars und Dani, die mit ihren Töchtern ein Jahr lang durch Südostasien tingeln, machen es vor: Anstatt zu Hause auf die Rückkehr der Enkel zu warten, sind die Großeltern ihnen einfach hinterhergeflogen und haben in Malaysia, Thailand und Indien gemeinsam mit den Enkelinnen „Ferien von der Reise“ gemacht.
Oft ist ja die erste Reaktion: „Wie kommt ihr denn nur auf so eine Idee, seid ihr wahnsinnig …“ Wie sollen Eltern darauf antworten?
Großeltern sind oft wenig begeistert, wenn Eltern große Reisepläne haben
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Sie raten also zu Verständnis?
Auf jeden Fall! Bevor es zu Konflikten kommt, sollten Eltern, die eine solche Reise planen, ihren eigenen Eltern und anderen besorgten Verwandten ein Stück entgegenkommen und ihre Bedenken ernst nehmen. Viele Sorgen lassen sich ganz einfach abklären, indem man die Großeltern mit Fakten beruhigt und ihnen zeigt, dass man nicht kopflos in ein Abenteuer schlittert, sondern für alle Fälle und vor allem für die Sicherheit der Kinder vorgesorgt hat.
„Großeltern wollen nur wissen, dass es allen gut gehen wird.“
Soll die Reise in die Tropen gehen, kann man vom Besuch im Reisemedizinischen Zentrum erzählen, von der Malaria-Prophylaxe oder warum diese am Reiseziel gar nicht nötig ist – und dass es auch in der Regenzeit in Südostasien nur nachmittags einmal kurz schüttet und ansonsten die Sonne scheint.
Wenn man den Großeltern Einblick in die Reiseplanung gibt, ihnen erklärt, warum man ein Land als Reiseziel ausgewählt hat und warum die Reise so lang sein soll, hat man schon viel für das gegenseitige Verständnis getan. Noch besser: die Großeltern um Unterstützung bitten.
Wie sollen die Großeltern denn bei einer Langzeitreise helfen können?
Jeder kann nach seinen individuellen Möglichkeiten etwas tun, egal wie alt er ist oder wie weit entfernt er wohnt – etwa die Enkel beaufsichtigen, während die Eltern ins Reisebüro gehen, ihnen warme Mützchen für die Reise häkeln, eine CD mit vorgelesenen Märchen bespielen oder ein Foto heraussuchen, das die Enkel zur Erinnerung mit auf die Reise nehmen können. Jemand muss sich vielleicht auch um die Familienkatze kümmern oder die Post während der Abwesenheit verwalten!
Wenn dann noch gemeinsam mit Oma und Opa ein eigener E-Mail-Account oder ein Skype-Konto eingerichtet wird, sind die Großeltern sicher besänftigt und können hoffentlich die Vorteile der Reise sehen – oder sie wenigstens tolerieren.
Facebook-Updates statt Ansichtskarten, wirklich?
Warum nicht? Das kann sehr gut funktionieren, gerade mit kleineren Enkeln, die noch nicht schreiben können; aber auch schreibfaule Teenies lassen sich so eher mal zu einem „Hallo“ an die Oma verleiten.
Was Großeltern brauchen, ist das Gefühl, dass sie als Familienangehörige ein Stück weit auf die Reise mitgenommen werden. Dafür bieten sich die neuen Medien geradezu an. Die Zahl der älteren Internetnutzer hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Großeltern werden da oft unterschätzt! SMS und E-Mail als schriftliche Kommunikationsmöglichkeiten kennen schon sehr viele.
„Großeltern als Facebook-Freunde – warum nicht?“
Auch Social-Media-Kanäle wie Facebook oder persönliche Blogs sind denkbare Optionen. Kluge Eltern schenken den Großeltern vor der Reise einen iPad mini, damit sie mit den Enkeln skypen können. (Ganz Gewiefte lassen sich zu diesem Zweck einen schenken!)
Was ist das Besondere am Skypen?
Weil man sich beim skypen nicht nur hört, sondern auch sieht, ist es perfekt für „Unterhaltungen“ mit sehr kleinen Kindern, die noch kein richtiges Telefongespräch führen können, ihre Gemälde oder ihre neueste Schramme präsentieren wollen. Wer mag, kann die Großeltern auch per Tablet auf einen Rundgang durch das Ferienhaus mitnehmen oder ihnen den Strand vor dem Fenster zeigen.
Und: Großeltern, die schwer hören oder Probleme haben, sich schriftlich auszudrücken, tun sich bei einer Unterhaltung per Skype viel leichter. Ein Blick sagt eben mehr als tausend Worte. Manchmal genügt einfach ein Lächeln, um den Kontakt zu halten! Diese Möglichkeit nutzen übrigens auch viele Familien, die im Alltag sehr weit voneinander entfernt wohnen.
Und was empfehlen Sie Eltern, die auf Reisen nicht so oft Internetzugang haben, oder Großeltern, die sich trotzdem damit schwertun?
Kontakt halten ist heutzutage kein Problem mehr!
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Man kann etwa vereinbaren, den Familienblog fleißig zu aktualisieren und mit Fotos zu füllen, man kann regelmäßige E-Mail-Updates ausmachen oder zusichern, dass man sich mindestens einmal pro Woche über Facebook melden wird.
Ist man tatsächlich mit dem Kajak in der kanadischen Wildnis ohne Internet unterwegs, sollte man das offen sagen und vielleicht dann lieber alle zwei Wochen ein internationales Telefongespräch verabreden.
Natürlich müssen sich die reisenden Eltern auch an ihre Versprechen halten! Wenn gemeinsam geklärt wird, was möglich ist, gibt es unterwegs und nach der Reise keine Enttäuschungen.
Die Botschaft ist immer dieselbe: „Wir halten den Kontakt zu euch!“
… und zwar nicht euch auf der Reise, sondern den Großeltern zu Hause? Mit zunehmendem Alter sind schwere Krankheiten oder schlimmeres ja kein allzu abwegiger Gedanke. Anstatt euch ihre Sorgen um die Gesundheit der Enkel anzuhören, sprecht lieber gemeinsam darüber, wie ihr vorgehen wollt, wenn zu Hause etwas passiert!
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Stoll-Becker!