KidsAway-FamilieninterviewLongboard-Reise mit Kind – das geht?!
Longboards werden immer mehr zum gewohnten Anblick - in hippen Großstädten. Benjamin und seine Tochter Ronja haben auf den "Surfbrettern mit Rollen" über 1.000 Kilometer zurückgelegt - nicht allzu hip, aber verdammt cool!
von KidsAway-Redaktion
Ronja unterwegs auf dem Longboard
© Benjamin Paland
Benjamin und seine Tochter Ronja haben mit ihren Decks gleich mal 1.000 Kilometer durch zwei Länder zurückgelegt – und hatten dabei eine Menge Spaß. Im Interview erzählt uns Benjamin mehr über das Longboardfahren und die große Vater-Tochter-Tour.
Lieber Benjamin, bitte stell uns zuerst kurz eure Zwei-Personen-Reisegruppe vor. Wie seid ihr auf die ungewöhnliche Idee gekommen, per Longboard zu reisen?
Ronja: Ich bin bin 10 Jahre alt, meine Hobbys sind Klettern, mit Freunden und Familie etwas unternehmen, Lesen – und Longboardfahren!
Benjamin: Ich bin 35 Jahre alt, das Fahren mit dem Longboard und Reisen sind meine Leidenschaften.
Wir machen an vielen Wochenenden Tagestouren. Bei „autofreien Sonntagen“ haben wir andere Longboarder kennengelernt, die auf langen Distanzen fahren. Mit Begeisterung haben wir die Dokumentationen von reiselustigen Longboardern wie Paul Kent, Aaron Enevoldsen und Adam Colton gesehen. Also wollten wir das auch mal versuchen!
Sie sehen aus wie langgezogene Skateboards, haben aber mit diesen ungefähr so viel zu tun wie ein BMX-Rad mit einem Rennrad.
Ein Longboard ist 90 bis 150 Zentimeter lang und hat größere, weichere Räder. Es eignet sich damit kaum für artistische Tricks und Sprünge, kann aber hohe Geschwindigkeiten auf glatten, geraden Strecken erreichen – bergab sind bis zu 100 km/h möglich.
Die meisten Longboard-Fahrer nutzen ihr Brett zur Fortbewegung im Alltag, ähnlich wie ein Fahrrad. Aber es gibt auch vielfältige sportliche Disziplinen wie Slalom oder Land Paddling.
Die unvermeidliche Frage zuerst: Ist das nicht gefährlich?
Hier fährt beim besten Willen kein Longboard
© Benjamin Paland
Wichtig ist, vor einer Reise Erfahrung im Skaten zu sammeln. Wechselnder Bodenbelag muss rechtzeitig erkannt werden. Wenn etwa Feldwege kreuzen, liegt auf der Kreuzung meist Rollsplitt. Brücken haben am Anfang und am Ende quer verlaufende Metallfugen, die breiter sein können als die Rollen des Longboards.
Während der Fahrt sollte der vordere Fahrer dem hinteren mit Handzeichen signalisieren können, dass Schlaglöcher kommen, Stöcke oder Steine herumliegen. Wichtig ist die „Fußbremse“: Bei Gefälle oder auf gerader Strecke wird ein Fuß während der Fahrt leicht über den Boden geschliffen. Je nach Geschwindigkeit, Bodenbelag und Nässe variiert der Bremsweg gewaltig.
Disziplinen wie Trick-Skaten, Downhill oder Sliden bergen natürlich komplett andere Risiken!
Hast du vor eurer Tour mit Ronja trainiert oder geübt, damit sie das schafft?
Benjamin: Ja und Nein. Regelmäßige Wochenendausflüge sind natürlich ein Training, aber kein professionelles. Letztes Jahr sind wir bereits einmal von Holland nach Frankreich gefahren, allerdings mit viel kürzeren Tagesetappen.
Ich denke, ein Kind kann nur etwas lieben, was es aus sich heraus tut und schafft. Ich treibe Ronja also nicht an.
Wie hast du eure Route geplant?
Benjamin: Da wir nach unserem Abenteuer im letzten Jahr wieder eine große Tour fahren wollten, haben wir zunächst verschiedene Fernstrecken-Fahrradwege recherchiert. Dabei sind wir auf die Website www.skatingland.ch aufmerksam geworden. Da Inlineskater auch vom Bodenbelag abhängig sind, haben uns diese Strecken sofort „angesprochen“.
Wir besorgten uns nun Bücher und Kartenmaterial und planten am Computer mit der Software komoot.de die Strecke. Das Alleinstellungsmerkmal von komoot ist, dass der Bodenbelag angezeigt wird. Wir zeichneten so Tracks mit einer Durchschnittslänge von 40 bis 60 Kilometern (unserer Standardlänge bei Tagestouren) auf.
Von den Schweizer Skate-Routen zogen wir dann einen Übergang zum Neckarradweg. Nachdem wir für jeden Reisetag Tracks erstellt hatten, luden wir diese im GPS-Format auf unser Garmin-Handgerät.
In der deutschen Straßenverkehrsordnung kommen Longboards bisher nicht vor; sie sind kein zulässiges Verkehrsmittel, sondern fallen unter §24 und gelten als Sportgeräte.
Theoretisch muss man mit ihnen also auf dem Bürgersteig fahren – hier ist allerdings eine Maximalgeschwindigkeit von 5 km/h erlaubt, und fährt man an einem Fußgänger vorbei, muss man absteigen. Wer auf der Straße Longboard fährt, kann mit Pech wegen „gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr“ belangt werden.
Auf aktuellerem Stand ist da die Schweiz: Hier sind Longboards als „fahrzeugähnliche Geräte“ auf Geh- und Radwegen, in Tempo-30-Zonen und unter Umständen auch auf Nebenstraßen erlaubt.
Die Erfahrung vieler Longboarder zeigt: Die meisten deutschen Gemeinden und Städte dulden das Longboard-Fahren derzeit sowohl auf Radwegen als auch auf (ruhigen!) Straßen.
Wie lang waren die Tagesetappen – und wie schnell seid ihr unterwegs gewesen?
Ordentliche Etappen sind auch mit Kind möglich
© Benjamin Paland
Bei Gefälle fuhren wir nie schneller, als wir auch auf waagerechter Strecke fahren würden, um weder uns noch andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Bei Steigungen oder schlechtem Bodenbelag liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 9 bis 12 km/h. Guter Asphalt ermöglicht bis 19 km/h, zeitweilig sind bis zu 23 km/h möglich.
Wo habt ihr übernachtet?
Benjamin: Campingplätze, Hotels, Gasthäuser, Pensionen. Manchmal haben wir auch „wild gecampt“ (und dabei natürlich keinen Müll hinterlassen, keinen Lärm und kein Feuer gemacht!).
Was macht man als Longboard-Fahrer, wenn es bergauf geht? Und wenn es regnet?
Eine spritzige Angelegenheit
© Benjamin Paland
Regen ist eine Frage der persönlichen Einstellung zum Longboarden, auch das wird bei Fahrradfahrern nicht anders sein. Es ist wichtig, Keramikkugellager zu verwenden und diese zu pflegen und regelmäßig zu wechseln. Die Bretter sollte man gut ölen, damit keine Verformungen am Holz entstehen.
Auch wenn es keine Helmpflicht gibt, solltet ihr beim Longboard-Fahren einen Helm und Protektoren tragen, Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer nehmen und euch an die Verkehrsregeln halten.
In der Dämmerung und in der Dunkelheit sorgt ihr mit Beleuchtung an eurer Kleidung oder am Rucksack, gern auch mit Stirnlampen für Sicherheit.
Und wo habt ihr euer Gepäck aufbewahrt?
Benjamin: Ronja hatte nur einen Trinkschlauch und ein Reisetagebuch mit Stiften auf dem Rücken. Ich selbst trug den Rest im Rucksack.
Hat Ronja eisern durchgehalten, oder musstest du zwischendurch motivieren?
Benjamin: Die Frage sollte eher an Ronja gerichtet werden! Bei Hitze hat sie eher mich motiviert. Ich hatte ja auch etwas mehr Gepäck auf dem Rücken 😉
Ansonsten gibt es kein Motivieren, sondern Pause machen. Wenn ich merke, dass ihre Konzentration nachlässt, ermahne ich sie, an die Sicherheitsregeln zu denken (gut auf den Weg achten zum Beispiel).
Was waren die schönsten Momente auf eurer Tour?
Benjamin: Wasserfälle, Seen, dass Erreichen von Tageszielen und natürlich die Ankunft, Menschen kennenlernen und mehrfach wiedertreffen, gemeinsam frühstücken, wenn sich erstklassiger Asphalt nahtlos in wunderschöne Umgebung einbettet, nachts bei Gewitter Gruselgeschichten vorlesen, erfolgreich Steigungen bewältigen, eigentlich so viele kleine und große Momente….
Welche Reaktionen habt ihr erlebt?
Benjamin: Nur positive. Viele waren über unsere Geschwindigkeit verwundert, andere stellten neugierige Fragen.
Habt ihr spezielle Longboards benutzt, oder geht das mit „ganz normalen“ Boards?
Der Bremsfuß ist beim Longboarden enorm wichtig - wie man am Schuh sieht
© Benjamin Paland
Wie auch im Fahrradsport gibt es für jede Sportart die entsprechenden Geräte. Unsere Decks (das, worauf man steht) sind besonders tief. Je tiefer, desto weniger anstrengend ist das „Pushen“, also das Antreiben des Longboards mit dem Fuß. Über höhere Bordsteinkanten kommen wir damit nicht mehr.
Die Achsen haben einen 44°-Winkel und sind sehr breit. Dies sorgt für Laufruhe auch bei Geschwindigkeit. Die Rollen haben einen sehr großen Durchmesser. Hierfür wurden unsere Decks in einer Longboard-Werkstatt angepasst (sonst hätten die Rollen in Kurven das Deck berührt).
Die Breite des Decks wurde für Ronja ebenfalls individuell angepasst. Unsere Decks haben keinen Flex, da diese das Risiko bergen, sich bei höheren Geschwindigkeiten aufzuschaukeln.
Braucht man besondere Ausrüstung für so eine Tour? Was hattet ihr dabei?
Benjamin: Wichtig war das GPS-Gerät und so leicht wie möglich zu packen. Wir reisen minimalistisch: Kleidung, Zelt, Schlafsäcke, Handy, Reisetagebuch, Stifte, Klopapier, Campingkocher, Campinggeschirr – muss alles in meinen Rucksack passen.
Für die Longboards hatten wir schraubenziehergroße Tools dabei, um Schrauben nachzuziehen, und Kugellager zum Wechseln.
Hat Ronja nach eurer Tour Lust auf eine Fortsetzung?
Endlich am Ziel!
© Benjamin Paland