Außergewöhnliche Familien auf ReisenKidsAway Familien-InterviewMit Lola und Nanuk um die Welt
Familie Kunz fährt seit fast zwei Jahren mit ihrem Landrover „Nanuk“ durch die Welt – von der Schweiz ging es durch Südeuropa nach Asien und dann per Schiff nach Neuseeland und Australien. Das Besondere: Sie haben ihre kleine Tochter Lola dabei – die war fünf Monate alt, als es losging.
Teil 6 von 15 der Serie Außergewöhnliche Familien auf Reisen
von KidsAway-Redaktion
Nanuk auf dem Karakorum-Highway in Pakistan - bei 40°C im (fehlenden) Schatten
© Jan Kunz
KidsAway: Erzählt doch bitte erst einmal ein wenig von eurer Familie – wer seid ihr?
Jan: Wir, das sind Liliane, Jan und Lola Kunz aus Basel in der schönen Schweiz. Liliane ist ausgebildete Naturärztin und ich habe in der Informatik gearbeitet. Bei der Abreise war Lola fünf Monate alt und nun hat sie gerade in Darwin/Australien ihren zweiten Geburtstag gefeiert. Unser viertes Familienmitglied heißt Nanuk und ist ein Landrover Defender mit Baujahr 1987.
Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen, mit einem Baby so lange und weit zu reisen?
Liliane: Das ist einfach erklärt: Wir waren sowieso gerade dabei, eine Weltreise mit Nanuk zu planen. Dann ist Lola in die Reisevorbereitungen hineingeplatzt. Also beschlossen wir kurzerhand, die Kleine einfach mitzunehmen. Sie kennt kein anderes Leben und wir waren vorher auch noch nie Eltern und können es nicht mit der Erziehung eines Kindes zu Hause vergleichen. Kompliziert war es von daher eigentlich nicht. Außerdem haben wir bemerkt, dass die meisten Probleme eigentlich eher in den Köpfen der Eltern existieren; Kinder sind sehr flexibel.
Ihr seid jetzt schon fast zwei Jahre unterwegs – wie lange habt ihr euch auf diese Reise vorbereitet?
Liliane: Wir haben rund drei Jahre geplant, wobei eigentlich erst das Jahr vor der Abreise so richtig intensiv wurde. Es steckt wirklich viel Organisation in so einer Reise, was auch der Grund dafür war, dass wir gesagt haben: Wir gehen direkt für zwei Jahre weg, der Planungsaufwand ist für ein Jahr oder zwei Jahre praktisch der gleiche.
Da wir unsere Wohnung aufgegeben haben und fast alles, was wir besaßen, verkauft oder verschenkt haben, steht uns nach unserer Heimkehr ebenfalls noch viel Arbeit bevor: Wir müssen eine Wohnung finden, eine neue Arbeit und uns wieder an den Alltag gewöhnen. So kann man eigentlich sagen, dass das ganze Projekt rund sechs Jahre umfassen wird. Das unterschätzen viele.
Was haben denn Freunde und Familie zu euren Plänen gesagt?
Liliane: Im Vorfeld der Reise gab es einen ganzen Mix an Reaktionen: Manche fanden es klasse, so etwas mit Kind zu machen, andere haben uns schlichtweg für verrückt erklärt. Vor allem, als wir unsere Reiseziele verraten haben. Mit dem Iran und Pakistan standen ja auch zwei Länder auf dem Programm, die gern mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden.
Familie Kunz auf einem der Moeraki Boulders in Neuseeland
© Jan Kunz
Einen Baby-Alltag zu Hause kennt Lola also gar nicht. Wie läuft denn so ein typischer Tag auf eurer Reise ab?
Jan: Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. In den Entwicklungsländern war es natürlich etwas anders als in Australien oder Neuseeland. Grundsätzlich schlafen wir jeden Tag aus, was aber nicht bedeutet, dass wir lange schlafen. Im Prinzip folgen wir der Sonne: Wenn es früh dunkel wird, gehen wir auch früh ins Bett und umgekehrt. Wir müssen uns nur eben nicht an irgendwelche Uhrzeiten halten, so wie zu Hause.
Danach gibt es Frühstück und dann kommt es darauf an, ob es ein Fahrtag wird oder ein Tag zum Entspannen oder vielleicht sogar Wandern. Das ist unsere Lieblingsbeschäftigung, aber das geht nicht immer.
Was aber an fast allen Tagen gleich ist: Wir müssen uns immer wieder neu orientieren. Das sind so banale Fragen, wo wir Lebensmittel einkaufen, Diesel tanken können usw. Es ist natürlich immer wichtig, einen guten Schlafplatz zu finden, was gerade in den Entwicklungsländern manchmal eine echte Herausforderung war. In der großen Weite Australiens ist das dagegen vergleichsweise einfach.
Liliane: Für Lola haben wir gerade ein Abendritual eingeführt, um ein wenig Stabilität in ihren Tagesablauf zu bringen. Das versuchen wir, so gut wie möglich einzuhalten. Nach dem Abendessen wird noch ein wenig im Auto gespielt, danach werden die Zähne geputzt, eine Gutenachtgeschichte gelesen, ein Lied gesungen und zuguterletzt kommt der Gutenachtkuss vom Papa. Das erleichtert ihr das Einschlafen, vor allem wenn es ein anstrengender Tag für sie war.
Ihr wart mit Lola in 15 verschiedenen Ländern. Was hat euch am meisten beeindruckt?
Jan: Ein Highlight war unsere achttägige Wanderung zum Annapurna Basecamp in Nepal, das ist ein sehr beeindruckender Ort. Auch den Norden Pakistans fanden wir toll. Ein prägendes Erlebnis waren unsere ersten fünf Tage in diesem Land, wir waren ständig mit Polizeieskorte unterwegs. Das war ein komisches Gefühl, keinen Schritt ohne eine bewaffnete Begleitung machen zu können.
Liliane: Es gab auf dieser Reise bereits unzählige schöne Orte und tolle Momente, die wir für den Rest unseres Lebens nicht vergessen werden. Wir haben auch viele tolle Bekanntschaften gemacht und Freundschaften fürs Leben geschlossen.
Ihr seid jetzt die Profis: Welches Land ist am besten geeignet fürs Reisen mit Kind?
Liliane: Am einfachsten war es vermutlich in Neuseeland, dort sind wir gleich sechs Monate geblieben. Da sind die Menschen sehr kinderfreundlich und es ist sehr einfach, mit Kindern zu reisen. Auch ist das Klima dort nicht so extrem wie in Australien. Wir haben in Neuseeland auffallend viele Europäer getroffen, die mit Wohnmobil und Kind unterwegs waren; speziell waren das Deutsche, die ihre Elternzeit dort verbracht haben. So etwas gibt es in der Schweiz leider nicht.
Jan: Neuseeland können wir eigentlich uneingeschränkt empfehlen, nur der lange Flug ist mit Kindern nicht so einfach. Als „Overlander“ versuchen wir ja, überall auf dem Landweg hinzukommen, aber nach Neuseeland und Australien musste Nanuk in einem Container fahren und wir sind vorausgeflogen.
Bestimmt habt ihr viele wertvolle Tipps für andere reisende Eltern?
Jan: Wir lernen selbst jeden Tag dazu! Generell haben wir gelernt: Kinder sind meist viel cooler als ihre Eltern, weil sie sich an neue Umgebungen schnell anpassen. Die sogenannten „Probleme“ bestehen meist eher in den Köpfen der Eltern.
Man sollte auf jeden Fall nicht versuchen, zu viele Sachen zum Beispiel in einen vierwöchigen Neuseeland-Urlaub hineinzupacken. Kinder brauchen ihre Spielzeit und haben mehr Freude, wenn sie nicht den ganzen Tag im Auto hocken müssen. Wenn man es relaxt angehen lässt, hat man als Eltern auch mehr Freude.
Liliane: Wenn man mit Säugling reist, können wir nur empfehlen, so lange wie möglich zu stillen. Einerseits vereinfacht es die Reiserei, weil man nicht immer die Fläschchen abkochen und Milch- oder Breipulver suchen muss. Auch über sauberes Trinkwasser braucht man sich keine Gedenken mehr zu machen. Auf der anderen Seite beruhigt es das Kind und gibt ihm Nähe, wenn es wieder einmal viele neue Eindrücke zu „verdauen“ gibt.
Wir sind auch überzeugt, dass das Reisen mit Kind einfacher ist, wenn das Kind noch sehr klein ist. Im Babyalter sind die Kinder noch sehr auf die Eltern fixiert, später suchen sie Spielkameraden, welche nicht immer einfach zu finden sind.
Was sind eurer Meinung nach die Vor- und Nachteile am Reisen mit Kindern?
Jan: Ganz klar, man ist nicht mehr so flexibel wie als Paar. Und man muss auch auf einige Dinge verzichten. Das Kind gibt den Takt vor, auf den man besser auch hört. Dafür lernt man mit Kind Leute kennen, die man sonst nicht treffen würde. Wir hatten durch Lola tolle Begegnungen, weil es überall Kinder auf dieser Welt gibt und speziell in den Entwicklungsländern die Menschen viel kinderfreundlicher sind. Man hat sofort ein Gesprächsthema und ist den Leuten irgendwie näher.
Liliane: Lola hat einige Male einen sonst langwierigen Grenzübertritt beschleunigt, weil die Grenzbeamten nur noch Augen für das weißhäutige, blauäugige Kind hatten!
Lola ist nun schon den Großteil ihres kurzen Lebens in der Welt unterwegs. Habt ihr irgendwelche Erwartungen, was Lola von eurer Reise mitnimmt?
Liliane: Diese Frage haben wir uns schon oft selbst gestellt. Normalerweise kann man sich ja im späteren Leben nicht mehr aktiv an die ersten Lebensjahre erinnern. Wir sind uns aber sicher, dass die Reise sie dauerhaft prägen wird. Erstens redet Lola jetzt schon in zwei Sprachen, zweitens ist sie sehr offen und geht völlig unbedarft auf alle Menschen zu. Gefremdelt hat sie noch nie. Drittens sind wir uns sicher, dass sie eine gute und robuste Gesundheit mit einem guten Immunsystem bekommen hat.
Jan: Wir schreiben auch ein Tagebuch und machen viele Fotos, so kann sie später in aller Ruhe nachvollziehen, was sie in ihren ersten Lebensjahren schon alles erlebt hat.
Was ist euer Plan für die nächsten Jahre, welche Länder stehen noch auf eurem Zettel?
Jan: Das Wort Plan ist zu hoch gegriffen. Wir werden in ein paar Monaten zurück in die Schweiz gehen und versuchen, neue Jobs und eine Wohnung zu finden. Denn leider müssen wir auch wieder einmal Geld verdienen. Was dann kommt, werden wir sehen; Ideen für die nächste(n) Reisen hätten wir schon genug!
Liliane: Wenn wir etwas auf dieser Reise gelernt haben, dann ist es die Tatsache, dass man es auf sich zukommen lassen sollte. Wer Zeit hat, kann vieles lockerer angehen.
Wenn eine Fee mit drei Wünschen käme: Was ist euer großer Reise-Traum?
Jan: Südamerika! Damit wollten wir unsere Reise ursprünglich beginnen. Dieser Plan wurde aber wegen Lola gekippt. Auch Japan und Südostasien wären nicht schlecht … Eigentlich gibt es noch so viele Flecken auf dieser Erde, die wir gerne einmal sehen würden.
Liliane: Meine Luxusvorstellung sieht so aus: Wir suchen uns jedes Jahr eine Gegend aus und bereisen diese dann für drei bis sechs Monate. Dann können wir das nach der Rückkehr zu Hause in aller Ruhe „verdauen“ und auch unsere Freunde und Familien regelmäßig sehen.
Wir wünschen euch noch eine gute Weiterreise und drücken die Daumen – vielleicht kommt die Fee ja noch vorbei!
Wer mehr über die lange Reise und die vielen Reparaturen an Nanuk lesen oder die zig tollen Fotos anschauen will, der schaut am besten gleich bei Familie Kunz im Blog vorbei!
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Die komplette Serie Außergewöhnliche Familien auf Reisen
- Teil 1: Mit Lkw und Kind auf der Straße des Lebens
- Teil 2: Eine globale Familie auf Weltenbummelei
- Teil 3: Mit Baby im Fahrradanhänger durch Neuseeland
- Teil 4: Die Reise-Profis – mit Teenagern unterwegs
- Teil 5: Mit drei Kindern im Lkw durch Südamerika
- Teil 6: Mit Lola und Nanuk um die Welt
- Teil 7: Mit Fahrrad und Anhänger durch Südostasien
- Teil 8: Einmal um die Welt – für wenig Geld
- Teil 9: Allein mit Kind um die Welt – na klar!
- Teil 10: Weihnachten unter Palmen – vier Schweizer grüßen aus Thailand!
- Teil 11: Mit drei Kindern im Wohnwagen unterwegs – ohne Rückkehrdatum
- Teil 12: Reisen mit schulpflichtigen Kindern: unsere Erfahrungen als Freilerner-Familie
- Teil 13: Allein reisen mit Kind? Nein, allein reisen mit Mama!
- Teil 14: Was kostet eine Weltreise mit Kindern? Wir rechnen nach
- Teil 15: Allein mit Kind von Nepal durch Südamerika