Familieninterview„Nordisch by Nature“ – die Nordeuropa-Experten
Schweden, Island – beim Gedanken an diese Reiseziele fröstelt es uns schon. Geertje und ihre Familie denken dabei an Spaß im Schnee, heiße Quellen und Nordlicht. Im Interview erzählen sie, was Nordeuropa zum kinderfreundlichsten Urlaubsziel macht.
von KidsAway-Redaktion
Die "nordicfamily" in ihrem Element
© Geertje Jacob/nordicfamily
Erzählt doch bitte erst einmal ein wenig von euch: Wer seid ihr und was bewegt euch zum Reisen?
Geertje: Wir sind eine kleine Potsdamer Familie mit einer sechsjährigen Tochter und einem anderthalbjährigen Sohn. Wir reisen, um mit den Kindern die Welt neu zu entdecken und wunderbare Erinnerungen und Erlebnisse als Familie zu sammeln. Außerdem fühlen wir uns gern als Weltenbürger und mögen den Kontakt mit Menschen aus anderen Ländern.
Bevor wir eine Familie waren, bin ich auch schon viel gereist. Meist in Richtung Asien, aber auch schon nach Skandinavien. Der Norden war dann zwischen meinem Mann und mir ein gemeinsamer Nenner, wir sind beide in unserer Jugend dorthin gereist. So war uns Skandinavien schon ein bisschen vertraut, so dass wir uns das mit Kindern zutrauten, und dennoch interessant genug, um unsere Neugier zu wecken.
Gibt es einen bestimmten Grund, warum ihr den Norden so mögt?
Wir lieben die Ursprünglichkeit und Weite der Landschaften, aber auch die Freundlichkeit und Gelassenheit der Skandinavier. Außerdem mögen wir Wetter – also das Spüren der Jahreszeiten mit all ihren Erscheinungen. Und dabei die Kälte mehr als die Wärme.
Als Skandinavien-Experten habt ihr bestimmt Tipps, wie man Kinder an verregneten Urlaubstagen beschäftigt?
Den Kamin und die Sauna genießen, wenn man das zur Verfügung hat. Auf Island würden wir ins nächste Schwimmbad gehen. Da dort das warme Wasser einfach aus dem Boden sprudelt, haben die Isländer eher eine Hot-Tub-Kultur als eine Sauna-Kultur wie die Schweden. In Skandinavien gibt es auch meist gute Indoor-Angebote, etwa Bastel- und Malnachmittage in der Stadtbibliothek. Wir informieren uns einfach beim Tourismusbüro. Und was die Sprachhürde angeht: Für Kinder gibt es die nicht.
Ehrlich gesagt, ist Regen für uns aber kein großes Thema. Es regnet in Schweden, anders als vielleicht in Norwegen, selten sehr lange.
Okay, wie ist es dann mit der Kälte? Viele Eltern mit Baby fahren ja aus genau dem Grund lieber in den warmen Süden…
Dick verpackt, macht Urlaub im Schnee auch mit Baby Spaß
© Geertje Jacob/nordicfamily
Gut angezogen, spielen die Temperaturen nur eine geringe Rolle, aber zugegeben, es ist etwas mühsamer, die Kinder in die Pellen zu bekommen. Man darf außerdem nicht vergessen, dass im Norden eine viel trockenere Kälte herrscht als in Deutschland. Minus 2° C in Deutschland können unangenehmer sein als minus 20° C in Nordschweden.
Was macht man denn überhaupt mit Kindern im Winter in Skandinavien?
Wir sind jede Minute draußen, die die Sonne über dem Horizont steht. Das sind im Winter, je nachdem, wie hoch im Norden man ist, nur zwischen vier und sechs Stunden. Skifahren kann man zum Beispiel am Idre Fjäll, einem besonders familienfreundlichen Skigebiet in Schweden. Oder auf dem Siljan-See Schlittschuh laufen, den Weihnachtsmann in der Nähe von Mora besuchen, da wohnt er nämlich in Tomteland …
Saunagänge gehören natürlich auch dazu, wobei nur ich mich danach in den Schnee werfe. Und man kann mit den Kindern einfach das entspannte und entschleunigte Leben genießen, das sich dort von allein einstellt.
Welches Land im Norden ist euer Favorit – auch für das Reisen mit Kindern?
Die "nordicfamily" auf Island
© Geertje Jacob/nordicfamily
Euer Sohn ist ja noch recht klein und auch mit eurer Tochter seid ihr sehr zeitig gereist. Ist Reisen mit Baby eine besondere Herausforderung?
Wenn man das Zusammensein als Familie in den Vordergrund stellt und nicht das Zurücklegen besonders großer Etappen oder das Erleben waghalsiger Abenteuer, dann ist es keine große Herausforderung. Man wird ja auch, was das Organisieren und Packen angeht, von Jahr zu Jahr besser. Zwar ist das Leben auf engstem Raum im VW-Bus für genau dieses Zusammensein als Familie eine kleine Herausforderung. Es schweißt aber auch zusammen.
Gibt es einen bestimmten Ausrüstungsgegenstand, den ihr auf Reisen immer dabei habt?
Noch sind es Windeln! Stirnlampen sind absolut essenziell, eben weil es so früh dunkel wird. Unsere Manduca-Trage hat uns extrem gute Dienste geleistet. Merle saß auf Island noch mit drei Jahren darin und Morten jetzt bei jedem längeren Wanderausflug auch. Die Eltern kommen voran und das Kind hat es warm und bequem.
Island und die Azoren, das sind doch eher exotische Ziele – was sollte man da bei der Planung beachten?
Wir planen alles selbst – na ja, meist ich. Das Internet ist dafür ja ideal. In Irland, Island und bei längeren Rundreisen buchen wir ein paar Unterkünfte vor, den Rest der Zeit sind wir mit unserem VW-Bus als Unterkunft unterwegs und bleiben so spontan. Auf den Azoren hatten wir ausnahmsweise einen Mietwagen und nur fest gebuchte Unterkünfte. Das war ungewöhnlich und etwas aufwendiger, wir hatten schließlich drei Unterkünfte auf zwei Inseln.
In Irland haben wir dieses Jahr gelernt, wie schön es ist, bei Einheimischen zu wohnen. So entwickelt man eine besondere Beziehung zu einem Land, weil man die Leute recht gut kennenlernt, sogar mit ihnen feiert, gemeinsam musiziert und den Garten mitbenutzen darf. Diese Erfahrung war auch wunderbar für unsere Kinder, weil sie merkten, dass man mit vielen Menschen gut zusammen sein kann und die Verständigung dabei sekundär ist. Mit der Vermittlung von Unterkünften über Airbnb haben wir diesbezüglich tolle Erfahrungen gemacht. Reiseveranstalter und Hotels sind uns deshalb gar nicht in den Sinn gekommen.
Was waren die Höhepunkte eurer Reisen?
Auch im hohen Norden ist es warm und sonnig
© Geertje Jacob/nordicfamily
Unsere Tochter Merle erinnert sich immer noch an die stinkenden Schwefelfelder am Myvatn und an die Kühe, die sie füttern und die Pferde, die sie reiten und striegeln durfte. Unser Sohn freut sich schon über große Vehikel auf der Straße und Kieselsteine am Wegesrand.
Ich selbst erinnere mich gern an einen wolkenverhangenen Tag auf den Azoren, an dem mich mein Mann überredete, doch noch auf die Passstraße des Berges Pica zu fahren. Wider Erwarten durchstießen wir plötzlich die Wolkendecke und hatten einen atemberaubenden Blick von oben auf die Wolken – über uns der blaue Himmel. Mein Mann erzählt noch heute gern von den abenteuerlichen Fahrten mit dem Auto im Winter zum Idre Fjäll in Schweden oder von unseren Fahrten durch das Hochland von Island.
Es ist jedes Mal ein tolles Erlebnis und eine schöne Erinnerung, wenn man irgendwo ankommt und die Erwartungen übertroffen werden. Mal ist es der Campingplatz mit dem fantastischen Ausblick oder dem herrlichen Strand, mal ist es die besonders gemütliche Unterkunft. Solche Situationen erleben wir oft und sie sind jedes Mal schön.
Lief es auf euren Reisen auch schon mal nicht so toll?
Brrrr...
© Geertje Jacob/nordicfamily
Und wie wir gemerkt haben, können wir auch auf große Städte gut verzichten. Aber vielleicht ändert sich das ja noch mit dem Alter der Kinder.
Ist Nordeuropa ein kinderfreundliches Reiseziel?
Auf jeden Fall. Skandinavien ist in jeder Hinsicht familienfreundlich und zwar in einem Ausmaß, wie man sich das in Deutschland kaum vorstellen kann. Nicht nur die Spielangebote, die Mal- und Zeichenangebote, die Kinderwagenparkplätze und die Wickeltische, die es auch in der Männertoilette gibt – die Einstellung der Menschen ist insgesamt eine andere.
Und man kann die Natur erleben, ohne sich wirklich allzu weit von der Zivilisation entfernen zu müssen. Wenn man möchte, kann man sich aber auch fast gänzlich von ihr lösen.
Welches Land würdet ihr „Nordeuropa-Anfängern“ für ihre erste Reise mit Kind empfehlen?
Zu Besuch beim Weihnachtsmann!
© Geertje Jacob/nordicfamily
Island ist zwar abenteuerlich, aber in jeder Hinsicht sehr extrem. Norwegen ist landschaftlich spektakulär, aber alles andere als günstig. Nordirland wäre noch ein Geheimtipp, wenn man die Hochsaison meiden kann.
Zu dem Wohin kommt ja auch immer das Wann. Wer kleine Kinder hat und den Zeitpunkt frei wählen kann, dem empfehlen wir den Frühling (ab Mai) in Norwegen, den Sommer in Irland, den Spätsommer in Schweden und den Herbst in Island. Am besten alles hintereinander.
Wenn ihr euch etwas wünschen könntet: Was ist euer großer, unerfüllter Reisetraum?
Wir arbeiten im Moment bereits an der Erfüllung unseres Reisetraums: Grönland. Aber genauso wünschen wir uns, mal für längere Zeit auf der Südhalbkugel in Australien, Neuseeland oder im Südpazifik reisen zu können.
Ihr habt ein Buch über eure Reisen geschrieben – wie seid ihr auf diese Idee gekommen?
Auf unserer ersten längeren Rundreise durch Skandinavien, bis hoch auf die Lofoten, haben wir einen Blog geführt. Danach gab es über unseren Bekanntenkreis hinaus Nachfragen nach Vorträgen und Informationen. Vor allem andere Eltern wollten wissen, wie es war, wie wir das gemacht haben, was wir erlebt haben.
Durch den Blog hatten wir ja die Informationen schon mehr oder weniger vorliegen. Also dachten wir, „lass uns ein Buch draus machen!“
Es war natürlich schwieriger als vermutet, denn eins zu eins konnten wir den Blog dann doch nicht in ein Buch übertragen. Wenn man mit einem oder zwei Kindern am Bein in einem Internetcafé einen Text verfasst, geht da schon mal ein Komma verloren; auch die Auswahl der Fotos ist dann eine andere. Wir haben also alles überarbeitet, uns aber recht streng am Blog orientiert. Ein tolle Sache, die Reisen so noch einmal Revue passieren zu lassen!