Reisebericht NorwegenMit zwei Kleinkindern zum Weltcup nach Skandinavien – Winter, Weltcup, Wohnmobil

Mit zwei Kleinkindern nach Skandinavien zum Langlaufweltcup? Unsere beiden Mädels waren zum Reisezeitpunkt 21 Monate und 8 Monate alt. Mein Mann ist Sportfotograf und wir beide sind begeisterte Läufer und Skifahrer. Gemeinsam starteten wir im Wohnmobil nach Drammen, Oslo und Falun zu den Weltcup-Läufen der Saison 2013/14.

von actuallylove

Seite 3/4 Ab nach Schweden

In Strömstad am Strand  © actuallylove

In Strömstad am Strand

© actuallylove

Haben wir schon einmal eine schlechtere Straße gesehen? Möglich. Jedenfalls hätte ich sie nicht in einem Land wie Norwegen erwartet. Anscheinend ist das innerskandinavische Konkurrenzdenken der beiden Länder noch groß genug, um die Verbindungsstraße in einem Feldweg enden zu lassen. Jedenfalls wird gebaut, mit viel Sprengkraft, wie es scheint. Gott sei Dank sind wir nachts unterwegs und können die Warnschilder über Sprengarbeiten getrost ignorieren, wobei, Paula hätte sicher ihren Spaß gehabt, „Bagga Bagga!“, soweit das Auge reicht.

Nach einer gefühlten Ewigkeit Schweden: roter Teer ohne Schlaglöcher, juhu. Die Straße wird langsam wieder breiter und wir müssen uns keine Gedanken mehr über entgegenkommende Gigaliner machen. Die in diesem Eck sowieso Mangelware sind; anscheinend hat sich der Straßenzustand herumgesprochen, weshalb wir auf unserem Campingplatz Camping 45, wenn er auch direkt an der E 45 liegt, einer der West-Ost-Verbindungsrouten, eine ruhige Nacht verbringen. Die Definition von „vielbefahren“ ist in Skandinavien definitiv nicht mit Deutschland vergleichbar, wir fühlen uns eher wie neben einer Bundesstraße im Bayerischen Wald, also ganz wie zu Hause.

Seit wir unseren Campingplatz bei Torsby verlassen haben, sind wir auf der Suche nach einem größeren Supermarkt, um unsere Vorräte aufzufüllen. Es dauert, bis wir einen finden, so um die 200 Kilometer. In Borlänge ist es dann endlich so weit, die Kinder sind schon knautschig und während Marco mit der Kleinen im Auto bleibt zum Spielen, kommt Paula mit mir. Also einen Einkaufswagen holen.

Mist. Da war doch was. Dank meiner Kreditkarte besitze ich keine einzige schwedische Krone. Also auch keinen Einkaufswagen. Na das kann ja heiter werden. Ich ergattere einen Einkaufskorb mit Rädern, den Paula sogleich kapert und hinter sich herschleift. Wenigstens kann ich alles genau in Augenschein nehmen, da es Paula nicht wirklich eilig hat. Da hat sich wohl jemand schon den regionalen Gewohnheiten angepasst. Nach einer gefühlten Ewigkeit und viel zu vielen leckeren Sachen im Korb endlich ab zur Kasse. Hier schlagen die regionalen Gewohnheiten wieder zu. Ein riesiger Supermarkt und zwei Kassen offen. In Deutschland würden sie dich lynchen. Hier interessiert das keinen, auch dass die Kassiererin nicht die schnellste ist. Paula hilft fleißig, die Sachen aufs Band zu legen und wartet überraschend brav, bis wir dran sind, obwohl sie schon sichtlich müde ist. Gut, dann kann sie ja bis Falun noch schlafen. Hahaha.

Wir sind da, Falun! Vor uns liegt eine große Kupfermine, hinter der sich die Stadt im Sonnenuntergang abzeichnet. Falun, ein Name, den wohl jeder Schwede kennt, zumindest wenn er ein eigenes Haus besitzt. Die werden nämlich meist im Farbton „Falu Rödfärg“ gestrichen, also Falunrot. Die Farbe ist ein Nebenprodukt des Kupferabbaus und weithin bekannt. Ebenso wie der Weltcup in Falun.

Für die Weltcup-Karawane ist die „Falun Minitour“ der meist sommerliche und feuchtfröhliche Abschluss einer langen Saison. Dort dabei zu sein, ist fast so schön wie Oslo, Volksfeststimmung einfach. Aber dazu noch Sonne. Als wir in das für die Weltmeisterschaft 2015 umgebaute Stadion kommen, werden wir gleich von einem Mitarbeiter des Organisationskomitees in Empfang genommen. Habe ich schon gesagt, dass die Leute hier extrem nett sind? Als wir unser Quartier am örtlichen Bauhof gleich neben dem Stadion beziehen, bekommen wir vom Bahnhofchef Hakan noch einen Schlüssel für die Dusche und das WC. Auch wenn unsere Dusche im Wohnmobil wirklich luxuriös ist, sparen wir so wenigstens Wasser. Dazu kommt, dass Marco für sein Fotostudio – er muss die Weltcup-Gesamtsieger mit ihren Kristallkugeln fotografieren – das Skimuseum im Stadion nutzen darf. Wir könnten uns dort aufwärmen. Äh, nein, ist nicht nötig, vielleicht eher vom Wind erholen. Alles in allem so nahe an perfekt wie möglich!

Hier liegt wirklich Schnee, also jedenfalls da, wo er gebraucht wird, nämlich auf der Weltcup-Loipe. Überall sonst ist Frühling, warm und sonnig. Lediglich der Wind stört etwas. Den Schnee karren LKW an LKW heran, seit unserer Ankunft am Dienstag bis Donnerstag. Es ist zu warm, um Schnee mit der Kanone zu machen. Also wird das weiße Gold von der Vasaloppet-Strecke geholt. Zur Erklärung: Der Vasaloppet ist der größte Skimarathon weltweit und fand eine Woche vorher im 100 km entfernten Mora statt. Eine logistische Meisterleistung. Man versucht sich gar nicht die Frage zu stellen, was das wohl kostet.

Die Tage, an denen noch keinen Wettkämpfe stattfinden, nutzen Marco und ich aus, um die letzten Schneekilometer der Saison zu sammeln. Natürlich immer abwechselnd, einer darf auf die Bretter, einer passt auf die Kids auf. Ich weiß jetzt auch, woher der „Mörderbacken“ seinen Namen hat. Beim vierten Mal diesen wirklich heftigen Anstieg hinauf frage ich mich allen Ernstes, was ich hier mache. Gott, ist das steil.

Trotzdem, es ist ein Traum, Sonnenschein, Schnee, Langlaufski an den Füßen, den Kids geht’s gut, wir sind alle zusammen, ach, da könnte man glatt ins Schwärmen kommen.

Die Tage in Falun verlaufen alle recht ähnlich. Der Weltcupkalender gibt ein Maß an Routine vor. Aufstehen, die Kinder umziehen, Frühstück herrichten, Kaffee machen. Dann wird in Ruhe gegessen. Dank Heidi haben wir morgens viel Zeit. So gegen halb neun zieht es uns dann schon nach draußen. Trotz der tagsüber milden Temperaturen braucht’s morgens den Schneeanzug für Paula. Null Grad können plötzlich ganz schön kalt sein.

Während Marco sein Studio im Skimuseum ansteuert, gehen wir meist auf den Spielplatz. So früh haben wir ihn fast immer für uns allein. Aber lustiger ist’s mit Kindern und Paula ist ja Gott sei Dank international unterwegs, sie versteht niemand, kein Deutscher und kein Schwede. Also ist es auch kein Problem, als wir mal einen schwedischen Kindergarten treffen. Nach ein paar Minuten hat sich ein Mädchen meine Tochter gekrallt und die beiden erkunden munter den Spielplatz.

Mit Paula am Rücken und Heidi in der Trage beim Zuschauen © actuallylove

Mit Paula am Rücken und Heidi in der Trage beim Zuschauen

© actuallylove

Nach dem Kinderspielplatz gehe ich mit ihnen meist noch im Kinderwagen spazieren. Außer es ist Wettkampf, dann ab mit der Kleinen in die Trage und Paula auf meinen Rücken. Mittags dann ab mit ihnen in den Kinderwagen zum Schlafen. Ich darf derweil laufen, yeah. Sieht in Falun echt aus wie zu Hause, nur ohne Einwohner. Wunderbare Wege zum Laufen, quer durch die Wälder des Naturschutzgebiets. Sogar mit Kinderwagen. Wieder zurück, gibt’s was zu essen für die Kinder und etwas rumwuseln für Heidi, dann wieder ab nach draußen. Papa braucht auch was zu essen! Während die Kinder bei ihm im Fotostudio bleiben, hole ich im Pressezentrum Essen und Kaffee.

Nachmittags wieder Wettkampf, also ab auf den Rücken und in die Trage und auf die Strecke. Mit Glocke und Schwedenfahne macht’s gleich noch mehr Spaß. Und das „Heyheyhey“ hat Paula super drauf. Um uns herum grillen oder picknicken die Zuschauer, es sieht im ganzen Stadion aus wie auf einem riesigen Kinderspielplatz mit Familientreffen und Sportprogramm. Marco holen wir nach der Flower-Zeremonie am Ausgang des Zieleinlaufs ab. Es ist immer wieder süß, wenn Paula dann ihren Vater erblickt und über den halben Weg „Papa, Papa“ ruft. Meist ist der Tag dann schon so gut wie vorbei. Noch ein kurzer Abstecher zum Spielplatz, der liegt ja am Nachhauseweg.

Essen müssen die Kinder an den Wettkampftagen meist ohne Papa. Dank Paulas Hubbett müssen wir es uns zum Abendessen auf den Fahrersitzen niederlassen, was aber auch ohne Probleme klappt. Paula schläft dafür sehr gut in ihrem eigenen Bett. So vergehen unsere Tage wie im Flug, viel zu schnell und viel zu schön. Trotz Wind, der die Skispringer verweht und uns genau so. Oder völlig überraschendem Schneefall über Nacht, der endlich Winterstimmung aufkommen lässt.


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